Diskussionen über das Leben in der Schweiz: Mythos und Realität der hohen Kosten 🇨🇭🤔
Ich tausche mich gerne über soziale Medien aus, insbesondere auf Instagram. Dort behandle ich meistens Themen rund um die Schweiz und oft im Bereich von Wirtschaft und Finanzen, wie beispielsweise letzthin mit dem Vergleich der Medianlöhne zwischen Deutschland und der Schweiz. Nach der Veröffentlichung solcher Beiträge freue ich mich immer über die rege Beteiligung in den Kommentaren. Diese Diskussionen bieten eine wertvolle zusätzliche Perspektive, auch wenn immer mal wieder Zweifel an den von mir geäusserten Daten und Fakten geäussert werden.
Eine neue Perspektive
Ich verstehe, dass gerade beim Thema Medianlohn gerne vehement dagegen gehalten wird mit den (vermeintlich) höheren Lebenshaltungskosten in der Schweiz. Dabei kommt auch immer gerne der Hinweis auf die teuren Preise von Lebensmitteln oder gar den Ausgaben für einen einfachen Restaurantbesuch. Und für sich alleine stehend bestätige ich diese Aussage auch: Ja, das Leben hier kann teurer sein.
Wenn man allerdings die höheren Löhne und die niedrigeren Steuern ins Verhältnis zu den Lebenshaltungskosten setzt, ergibt sich ein anderes Bild. Will heissen: Diese tatsächlich höheren Lebenshaltungskosten fallen eben nicht so sehr ins Gewicht oder können sogar unerheblich sein, wenn man mehr verdient und weniger Steuern zahlt. Dabei handelt es sich um eine einfache rechnerische Tatsache. Dass das jedoch häufig nicht verstanden werden will, verursacht schon auch immer mal wieder Kopfschütteln bei mir.
Schweiz – Zahlen sprechen für sich
Zum Beispiel liegt der mittlere Lohn in der Schweiz aktuell bei 6’788 Franken (Bundesamt für Statistik), was in etwa 7’000 Euro entspricht, während der Medianlohn in Deutschland bei 3’645 Euro liegt (Agentur für Arbeit). Eine alleinstehende Person zahlt in der Schweiz durchschnittlich 23 % Steuern und Abgaben, wohingegen sie in Deutschland rund 48 % bezahlt (OECD). Und an diesen deutlichen Zahlen ändert übrigens meiner Meinung auch wenig, dass in der Schweiz die Krankenversicherung nicht vom Arbeitgeber übernommen und vom Arbeitnehmer aus der eigenen Tasche bezahlt wird.
Jedenfalls gibt es auch hinsichtlich der Sparquote klare Zahlen; sie ist nämlich die höchste in Europa. Die Sparquote liegt in der Schweiz bei 19 %, während sie in Deutschland nur 11 % beträgt (OECD). Ebenso ergibt sich auch hinsichtlich des Medianvermögens pro Kopf ein klares Bild: Dieses ist in der Schweiz knapp dreimal so hoch (168’084 US-Dollar) im Vergleich zu demjenigen in Deutschland (60’633 US-Dollar; Global Wealth Report UBS).
Diese statistischen Zahlen sprechen also schon einmal eine klare Sprache.
Schweiz – Ein Land der Möglichkeiten
Auch die Tatsache, dass jedes Jahr bis zu rund 100‘000 Menschen in die Schweiz netto einwandern, spricht Bände. Die grösste Einwanderer-Gruppe kommt übrigens aus Deutschland. 316’000 Deutsche leben mittlerweile hier, und rechnet man diejenigen mit Schweizer Pass und deutschem Migrationshintergrund dazu, kommt man sogar auf rund eine halbe Million. Wäre das Leben in der Schweiz finanziell nicht lohnend, würden die Zahlen wohl deutlich anders aussehen.
Der Wert des Dialogs – aber bitte differenziert
Zwar glaube ich an den Wert von Austausch und Diskussion. Selbstverständlich kann jeder seine Meinung haben zum Thema auswandern. Und natürlich gibt es auch durchaus gute Gründe, um in Deutschland zu leben.
Nichtsdestotrotz bietet mir jeder Kommentar die Gelegenheit zu verstehen und Perspektiven zu teilen oder auch neue Themen in meinen Blogbeiträgen und Videos aufzunehmen. Schliesslich geht es mir nicht nur darum, Fakten zu präsentieren, sondern auch um den Dialog und den Austausch. Allerdings würde ich mir dabei manchmal wünschen, dies wäre auch von Seiten der Kommentatoren vermehrt so.
Nicht selten entsteht der Eindruck, dass eine vorgefertigte Meinung besteht, von der man partout nicht abgebracht werden will. Etwa weil man nicht hören möchte, dass das Leben anderswo auch gut oder in gewissen Aspekten sogar noch besser ist. Dazu gehört natürlich die Fähigkeit zu differenzieren. Und dann würde die Aussage eben nicht mehr lauten «das Leben in der Schweiz ist viel zu teuer», sondern «wenn ich mit einem EU-Lohn in der Schweiz Ferien mache, ist es teuer». Letzteres würde ich selbstverständlich sofort bestätigen.
Die Zahlen sagen es aber deutlich und ich erlebe es seit beinahe zehn Jahren selber: Man kann gegen die Schweiz sagen, was man will, aber dass man hier aus finanziellen Gründen nicht soll leben können, gehört definitiv nicht dazu. Schliesslich über(!)leben auch die 9 Millionen Einwohner in der Schweiz. Und nicht wenige von ihnen können sich übrigens auch einmal ein Schnitzel mit Pommes für 35 Franken im Restaurant leisten.
Seit 2016 lebe ich in der Schweiz zusammen mit meiner Schweizer Partnerin. Beruflich bin ich in der Pharmaindustrie bei einem grossen internationalen Unternehmen in Schaffhausen gestartet. Seit 2019 betreibe ich diesen Blog und den gleichnamigen YouTube-Kanal.
Wenn du mehr über mich erfahren möchtest: Auf meiner „Über mich“-Seite findest du meine persönliche Auswandergeschichte und die Hintergründe für diesen Blog.
