Wohlstand in Deutschland? 🇩🇪🤔
Manchmal habe ich den Eindruck, dass mein Umfeld in Deutschland nicht ganz versteht, weshalb ich aus so einem Land wie Deutschland überhaupt auswandern konnte. Fliesst nicht Milch und Honig da, wo ich herkomme? Was kann einem in einem der wohlhabendsten Länder der Welt denn fehlen?
Ist Deutschland noch ein wohlhabendes Land?
Doch ich frage mich: Ist Deutschland noch ein wohlhabendes Land? Momentan wohl schon, aber wie lange noch? Denn Deutschland hat beispielsweise den grössten Niedriglohnsektor in Europa, was – auch zusammen mit dem Vermögensvergleich mit den Einwohnern anderer europäischer Staaten – zumindest als Indiz für ein absteigendes Deutschland gelten dürfte.
Auch die im Vergleich mit der D-Mark weiche Währung, der Euro, ist er ein Segen oder ein Fluch? Schaut man sich die Schweiz an, kann man sehr gut erkennen, dass ein Staat auch mit einer sehr starken Währung international mithalten kann, auch als Exportland (wie Deutschland in der Vergangenheit). Eine schwache Währung macht die eigenen Produkte für Kunden im Ausland günstiger. Das ist erstmal ein Vorteil. Aber was bewirkt die schwache Währung auf lange Sicht? Im schlimmsten Fall ruht man sich aus, und das führt zu weniger Innovationen. Die Produkte können ja immer noch gut auf dem Weltmarkt angeboten werden, dem schwachen Euro sei Dank. Langfristig kann sich die mangelnde Innovationsfreude jedoch rächen.
Perspektive aus der Schweiz
Ich sehe das seit ein paar Jahren selbst, da ich im September 2016 von Deutschland in die Schweiz gezogen bin. Tätig bin ich hier in der Schweiz in der pharmazeutischen Industrie. In Deutschland war ich ebenfalls in der pharmazeutischen und auch in der chemischen Industrie tätig. Während in Deutschland nur sehr widerwillig neue Methoden angewendet und selten neue Maschinen und Geräte angeschafft wurden, sieht es hier in der Schweiz ganz anders aus: Jedes Jahr gibt es Neuerungen verschiedenster Art.
Es wird hier viel mehr investiert, auch im Hinblick auf die Digitalisierung; wenn ich mit meinen ehemaligen Arbeitskollegen in Deutschland über die Arbeit spreche, merke ich schnell, dass die Digitalisierung dort noch in den Kinderschuhen steckt. Warum ist das so? Sind die Deutschen Technikmuffel oder innovationsfeindlich? Es scheint fast so. Das bargeldlose Zahlen ist ja beispielsweise auch erst durch die Corona-Krise so richtig ins Rollen gekommen. Zuvor wurde ich regelmässig schief angeguckt, wenn ich Kleinstbeträge mit der Karte zahlen wollte. Gerade kleine Geschäfte wie Bäckereien oder Zeitschriftenläden boten oft keine elektronische Bezahlmöglichkeit an.
Insgesamt finde ich, dass die digitale Infrastruktur in Deutschland in einem katastrophalen Zustand ist. Das E-Netz – in der Schweiz ein Relikt aus längst vergangenen Tagen – ist für mich in Deutschland regelmässig die einzige Verbindung, wenn ich kein WLAN habe. Auf der Autobahn, im Zug oder bei grösseren Menschenansammlungen habe ich daher schlichtweg keine Möglichkeit, online zu gehen, geschweige denn online zu arbeiten. Online Musik hören ist ebenfalls undenkbar.
Arbeiten während der Bahnfahrt
Ganz anders in der Schweiz: Hier habe ich ein unlimitiertes Datenvolumen (für CHF 32.50 pro Monat). Während dem Pendeln höre ich Musik über YouTube-Music, Podcasts über Apple oder YouTube-Videos vom Sparkojoten. Freunde von mir loggen sich bereits im Zug auf dem Weg ins Geschäft ein und nutzen die Pendelzeit als Arbeitszeit. Letzthin habe ich in der Schweiz gar einen Instagram-Livestream gemacht: direkt aus den Bergen und zwar noch in der Seilbahn auf 2‘000 Metern Höhe. Bei meinen Eltern zuhause in Deutschland wäre ein Livestream hingegen nicht einmal im Garten möglich.
Digitale Infrastruktur in Deutschland
Im internationalen Vergleich hinkt Deutschland in Sachen Digitalisierung und Infrastruktur sehr hinterher. Die digitale Infrastruktur wird aber immer wichtiger. Man muss sich das so wie damals Mitte des 19. Jahrhunderts mit der Eisenbahn vorstellen. Da war die Schweiz der Staat in Europa, der hinterherhinkte. Erst als nötige Reformen durchgeführt und umgehend auch Investitionen getätigt wurden, ging es wieder aufwärts. Die Schweiz war damals ein Auswanderungsland. Ganze Dörfer verliessen geschlossen ihre Heimat, um zum Beispiel in den USA ein besseres Leben zu führen. Die Erschliessung des Landes mit der Eisenbahn war der grosse Anschub, den die Schweiz damals gebraucht hat. Mit der Infrastruktur kamen weitere Innovationen und damit auch der Wohlstand.
In Deutschland hingegen kommt es mir so vor, als wenn die Allgemeinheit denkt, dass wenn der Staat den Geldhahn aufdreht, schon alles zum Guten kommt. Doch Wohlstand wird durch unternehmerische Tätigkeit, Innovation und Fleiss geschaffen und eben nicht durch Politiker oder den Staat. Eigentlich sollten das die Deutschen ja besser wissen: Vor rund 30 Jahren scheiterte die Deutsche Demokratische Republik („Demokratisch“ sollte eigentlich in Anführungszeichen stehen…) mit genau diesem Ansatz.
Aber heutige Sozialisten behaupten ja gerne, dass dieser Sozialismus nur falsch umgesetzt wurde, wie immer, wenn ein sozialistischer Staat scheitert. Der Unternehmer, Historiker und Autor Dr. Dr. Rainer Zitelmann hat es mal gut gesagt: Stellen Sie sich eine Hausfrau vor, die einen Kuchen backt, nach dessen Genuss sich die Gäste alle übergeben mussten. Daraufhin ändert sie beim nächsten Mal die Backzeit. Wieder müssen sich die Gäste übergeben. Sie überlegt, woran es liegen kann. Sie ändert die Temperatur und backt den Kuchen mit weniger Hitze. Abermals müssen sich ihre Gäste nach dem Essen übergeben. Genauso machen es die Sozialisten. Auf die Idee, dass die Zutaten schlecht sein könnten, kommen sie nicht.
Weichen für die Zukunft stellen
Die „Zutaten“, mit welchen der deutsche Staat in den letzten Jahren „gebacken“ wurde, hat mir zunehmend nicht gefallen, was mir den Entscheid bezüglich Auswanderung in die Schweiz sicherlich erleichterte. Und mein Eindruck vom absteigenden deutschen Staat hat sich in den letzten Jahren mit dem Kennenlernen eines anderen – eben des schweizerischen – Systems leider noch verstärkt. Wenn ich inzwischen auch weit weg bin: Ich würde mich freuen, wenn Deutschland noch den Schritt hin zu Innovation und Digitalisierung schaffen würde. Nicht nur aber auch, damit ich endlich aus meinem Heimatort einen Livestream machen könnte – aus dem wunderschönen Garten meiner Eltern… 😉
Seit 2016 lebe ich in der Schweiz zusammen mit meiner Schweizer Partnerin. Beruflich bin ich in der Pharmaindustrie bei einem grossen internationalen Unternehmen in Schaffhausen gestartet. Seit 2019 betreibe ich diesen Blog und den gleichnamigen YouTube-Kanal.
Wenn du mehr über mich erfahren möchtest: Auf meiner „Über mich“-Seite findest du meine persönliche Auswandergeschichte und die Hintergründe für diesen Blog.
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