Deutsche kommen uns nicht ins Hause!☝🏼👵🏼

Gastbeitrag von Tensha 👩🏼🦰
Dass uns keine Deutschen ins Haus bzw. in die Familie zu kommen haben, hatte meine Urgrossmutter, das (böse!) Grösi, schon anno dazumal im 300-jährigen Bauernhaus neben dem Ofenbänkli sitzend verfügt. Mein Onkel, ihr Enkel, kam in den 60er Jahren mit seiner deutschen Angebeteten nach Hause und wurde umgehend zum Teufel geschickt. Beziehung, Verlobung, Heirat mit einer Deutschen, was auch immer: Alles völlig undenkbar; „mit dere muesch gar nüme cho!“
Deutsche haben eine grosse Klappe
Und in dieser Haltung wurde ich auch prompt jahrelang sozialisiert: Deutsche haben immer und ausschliesslich eine grosse Klappe, drängeln sich am Skilift – und auch andernorts – stets vor und sind überhaupt ungehobelte Angeber. Am besten hält man sich fern vor den „Sou-Schwabä„ (Sau-Schwaben; Überbegriff für alles, was nordwärts des Rheins lebt). Ich meine sogar, mich zu erinnern, dass ich noch während des Gymnasiums laut herausposaunte, dass wenn ich für etwas die Hand ins Feuer legen könne, sei das, dass ich nie, aber gar nie einen Deutschen heiraten würde!
Daran habe ich mich auch gehalten, allerdings lebe ich jetzt trotzdem mit einem zusammen und wir haben ein gemeinsames Kind und das ist natürlich auch zur Hälfte deutsch, was mir allerdings erst in einem späteren Stadium der Schwangerschaft so richtig bewusst wurde… 😉 Nun ja, das Grösi lebt ja schon lange nicht mehr und die Zeiten haben sich geändert und ich wage zu behaupten, dass meine Familie noch nie so glücklich war mit meiner Männerwahl, wie eben mit diesem Deutschen.

Sinneswandel
Wie kam es zu diesem allseitigen Sinneswandel? Es war wohl ein schleichender Prozess. Ich erinnere mich, dass meine Eltern – ich war gerade mal vier Jahre alt – sich auch schon einmal auf einem italienischen Campingplatz mit den dortigen Nachbarn aus Deutschland anfreundeten. Diese besuchten wir nach den Sommerferien auch prompt mal noch in Kassel. Ich war begeistert und hin und weg von meiner Spielkameradin, dem älteren Mädchen in der Familie. Dieses Verhalten war wohl der erste Ausrutscher entgegen dem allgegenwärtigen Anti-Deutschen-Credo und wurde meiner Urgrossmutter gegenüber sicherlich nicht rapportiert.
Während meiner Schulzeit war ich auch nach wie vor kritisch gegenüber allem, was deutsch war. Meine damalige Deutschlehrerin – eine waschechte Deutsche – half dabei auch nicht: Sie war überzeugt, dass Dreiviertel meiner Klasse (ein notabene neusprachliches Gymnasium!) der deutschen Sprache nicht mächtig waren und des Weiteren keine Ahnung von Literatur, Geschichte oder überhaupt von Kultur hatten. Ungenügende Aufsätze kommentierte sie gerne mit Aussagen von „das war nix“ bis „das war GAR nix!“; die Aufsatzhefte wurden uns nicht hingelegt, sondern entgegengeschmissen.
Und wenn wir wegen zu vielen Prüfungen und Vorträgen zu rebellieren versuchten, würgte sie jedwelchen Aufstand sofort ab mit: „Der Tag hat 24 Stunden und wenn das nicht reicht, dann nehmen Sie eben noch die Nacht dazu!„ Wir fanden sie echt die Letzte und führten das massgeblich auf ihre Nationalität zurück. Und wir rächten uns: Im Gegenzug wurde jede/r in der Klasse ausgelacht, verhöhnt und somit ausgebremst, der auch nur ansatzweise versuchte, in ordentlichem Hochdeutsch und ohne Schweizer-Akzent Deutsch zu sprechen. Das dürfte sie einigermassen geärgert haben.
So schlimm sind die Deutschen nicht
Bald sollte aber ich selber die Ausgelachte sein: Bei einem Austauschjahr während des Studiums – ich fand mich unverhofft ohne grossartige Spanischkenntnisse in Spanien wieder – freundete ich mich aufgrund meiner Sprachschwierigkeiten zuerst einmal fast nur mit Deutschen an und meine Meinung gegenüber den Deutschen begann sich zu ändern.
So schlimm waren die dann doch mal gar nicht. Allerdings merkte ich auch bald, dass ich der deutschen Sprache im Mündlichen eigentlich nur rudimentär mächtig war. Zwar fanden alle meinen Schweizer Akzent „süss„ (das will man imfall nicht hören!), sie verstanden mich allerdings ganz oft überhaupt nicht. Ich realisierte erst mit damals 23 Jahren, wie viele Helvetismen (Natel, Lavabo, Velo, Trottoir…) ich gebrauchte, dass ich keinerlei Sprachspontanität hatte und in Hochdeutsch nicht einmal halb so lustig Anekdoten zum besten geben konnte wie in Schweizerdeutsch.
Ich muss gestehen, das war etwas ernüchternd (vielleicht hatte die Deutschlehrerin damals doch Recht?!), zumal ich bis zu jenem Zeitpunkt noch dachte, „Deutsch“ sei meine Muttersprache. Ist es aber nicht. Deutsch ist klarerweise eine Sprache, die wir in der Schweiz einigermassen mühsam in der Schule erlernen, allerdings nur, um dann herauszufinden, dass wir dann bestenfalls im Schriftlichen halbwegs sattelfest sind, im mündlichen Umgang aber ohne Übung gerne mal an unsere Grenzen stossen. So war es zumindest in meiner Generation noch, da wir nicht wie die Kinder heute mit deutschen Gspänli (Freunden) gross wurden.
Lustiger und kontaktfreudiger als Schweizer
Wie auch immer. Ich begann die Deutschen zu schätzen. Sie waren offener, kontaktfreudiger und ja, oft auch etwas lustiger als die Schweizerinnen und Schweizer. Vor allem aber kommt mir eine Eigenschaft der Deutschen sehr entgegen: Sie brauchen die Verklausulierung und das In-Watte-Packen von Wünschen oder Kritik nicht. Man kann (und muss!) einfach so reden, wie man es meint. Das ist leider in der Schweiz oft kein guter Ratschlag und führt selten ans Ziel. Damals war mir das allerdings alles noch nicht so ganz bewusst.
Und als dann schliesslich mit den Bilateralen Verträgen zwischen der EU und der Schweiz deutsche Einwanderer/innen die Schweiz schwemmten, ja, da waren wir manchmal noch gemein. Mit dem deutschen Servicepersonal sprachen wir extra unverständlich Schweizerdeutsch, wenn sie uns zu forsch und frech waren und wer sich auch sonst irgendwie (vermeintlich) blöd benahm, der wurde zurechtgewiesen („hier in der Schweiz gehört sich das – im Falle – nicht!“).
Mit Genuss lasen wir von Bruno Ziauddin „Grüezi Gummihälse“* (Anmerkung: Gummihälse steht für Deutsche) und lachten uns darüber krumm. Vielen Deutschen gefiel es dann verständlicherweise nicht bei uns oder nicht so sehr, wie sie sich das erhofften, und sie gingen wieder. Das fanden wir natürlich gut.
In der Zwischenzeit hat sich das alles extrem verändert: Die Deutschen gehören – zumindest im urbanen Umfeld – zu unserem Alltag und das Umstellen von Schweizer- auf Hochdeutsch ebenfalls. Denn, wer jetzt noch hier ist von den „Schwaben„, der mag in der Regel, dass wir langsamer reden und mehr Höflichkeiten austauschen und passen deshalb auch hierher.
Nicht nur ein Deutscher
Und irgendwann hat es mich ja dann bekanntlich erwischt. Nicht nur ein Deutscher, nein, gar einer aus dem Ruhrpott eroberte mein Herz. Das Ruhrgebiet, das hatten wir damals im Gymi noch in der Geographie durchgenommen. Strukturwandel, Kumpel unter Tage und so. Auch da dachte ich, alles reine Theorie, hat mit mir nichts zu tun, wird nie was mit mir zu tun haben. Aber eben, so spielt einem das Leben gerne Streiche!
Und jetzt habe ich sie also, diese Deutschen in meinem Leben. Wie das alles so ist, schildere ich euch dann in einem nächsten Beitrag. Das Grösi wird sich mutmasslich im Grabe umdrehen oder vielleicht hat sie auch gemerkt, dass es „die Deutschen“ so nicht gibt und einige von denen eigentlich noch ganz gut hierher und ja, gar in unsere Familie passen.
Mein Onkel übrigens, fügte sich damals noch der Anordnung der Grossmutter und dem Regime der Matriarchin. Und blieb sein Leben lang ledig.
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